Das passende Fahrrad muss es schon sein
Die Streckenbeschreibungen in diesem Buch setzen voraus, dass ein tourentaugliches Rad benutzt wird. Besonders bei den täglich anzutreffenden Steigungen, dem losen schottrigen Untergrund und den Bodenwellen ist eine sehr gute Übersetzung der Garant für eine gelungene Fahrradtour.
Ansonsten macht sich schnell Frust breit. Wer nur die Ringstraße fahren möchte, braucht kein Mountainbike zu kaufen; hierfür reicht auch ein ganz normales Trekking- oder Tourenrad. Die Steigungen auf der Ringstraße sind vergleichsweise moderat. Für einen Kurzausflug in die um Reykjavík liegenden Gebiete, wie Geysir, Gullfoss und Þingvellir, reicht ebenfalls ein Reiserad aus. Die wenigen Schotterabschnitte sind meist auch mit dünnerem Profil zu bewältigen. Für längere Touren sind Holland‑, Renn- und Sporträder nicht geeignet. Ganz wichtig ist die passende Übersetzung (siehe Gangschaltung).
Im Folgenden werden die wichtigsten Kriterien genannt, die auf ein tourentaugliches Rad für Island zutreffen müssen.
Fahrradtyp
Mountainbikes sind die idealen Reisebegleiter für eine Fahrradtour in Island. Ausgestattet mit Gepäckträgern, Schutzblechen, Parkstütze und Tacho kann es los gehen. Wer ins Hochland möchte, sollte die breitesten Reifen aufziehen und das härteste Material benutzen. Ob man auf Federung setzt, ist eine Vertrauensfrage. Im Lauf der Jahre ist das Material zuverlässiger geworden. Eine Federgabel muss aber mehr gepflegt werden. Vor allem Gletscherflüsse können den Lagern ordentlich zusetzen. Auch die Montage eines Gepäckträgers an einer Federgabel ist möglich (siehe www.faiv.de).
Reifengröße
Ganz klar: Sie können nicht breit genug sein. Selbst der Unterschied zwischen der Reifenbreite 26 x 1,9 Zoll zu 26 x 2,1 Zoll ist im Hochland deutlich zu spüren. Die Decken sind in Island extremen Bedingungen ausgesetzt. Gute Mountainbikereifen sind nicht unbedingt der Dauerbelastung durch Mensch und Gepäck plus hartem Untergrund gewachsen. Wenn sie auch nicht mehr so lange halten wie früher, sind bei mir immer noch die „Schwalbe Marathon-Reifen“ die erste Wahl. Mindestens eine Ersatzdecke gehört ins Reisegepäck. Das Netz an Fahrradläden ist in Island extrem dünn, so dass bei großen Problemen entweder Reykjavík oder Akureyri angesteuert werden muss. Die Auswahl ist nicht sehr üppig, die Qualität der angebotenen Reifen lässt oft zu wünschen übrig. Ach ja, und die Preise: Reden wir lieber nicht darüber.
Gangschaltung
Der Berggang ist das „A“ und „O“. Die Kombination sollte mindestens 32 Ritzel hinten (besser 34) zu 26 oder 24 Zähnen vorne aufweisen. Wie viele Gänge das Rad hat, ist dagegen eher zweitrangig. Auch das Gewicht spielt in Island keine so große Rolle. Folgende Kombination hat sich bei mir bewährt: Berggang: 24 Zähne (vorne) zu 34 Ritzel (hinten). Für den Schnellgang, der einem bei Rückenwind und Bergabfahrten entgegenkommt, sollte das größte Kettenblatt mindestens 48 (bei mir 54) Zähne aufweisen, zu 12 Ritzel hinten.
Persönlich fahre ich mit der 14-Gang-Nabe von Rohloff, aufgemotzt durch zwei zusätzliche Kettenblätter, also insgesamt 32 Gänge. Allerdings brauche ich diese extreme Übersetzung nicht in Island, sondern nur wenn ich mein Faltboot im Anhänger hinter mit herziehe. Ein weiteres Kettenblatt ist aber bei der Rohloff-Nabe manchmal auch in Island von Vorteil.
Bremsen
Gute Bremsen können bei steilen Abfahrten lebenswichtig sein. Gute Bremswirkungen erzielen V-Brakes und natürlich Scheibenbremsen. An Ersatz sollte gedacht werden, also Bremspads nicht vergessen.
Ausstattung
Neben einer sehr guten Bereifung ist es äußerst wichtig, einen guten Gepäckträger montiert zu haben. Materialbrüche von Gepäckträgern sind auf Islands holperigen Straßen keine Seltenheit. Als Vorbeugung eignet sich nur die Montage hochwertiger Gepäckträger von Tubus etc, die allerdings auch nicht ganz billig sind. Die auf dem Markt angebotenen Nachbauten sollte man das erste Mal möglichst nicht auf einer Islandtour testen. Der Tubus Cargo hat auf meinen Touren bisher immer gehalten.
Sehr wichtig ist bei einer Fahrradtour die richtige Verteilung des Gepäcks. Es empfiehlt sich deshalb, zusätzlich zu einem Hinterradgepäckträger am Vorderrad einen so genannten „Low-Rider“ zu montieren, an dem Taschen angebracht werden können. Das Vorderrad darf dabei aber nicht überladen werden, da sonst die Lenkfähigkeit stark eingeschränkt wird. Eine Lastenverteilung von 40 Prozent vorne und 60 Prozent hinten hat sich als recht praktikabel erwiesen. Eine am Lenker montierte Tasche bietet zusätzlichen Raum für Kleinigkeiten wie Karten, Reiseführer und Fotoapparat. Ein kleiner Gepäckträger, oberhalb des Low-Riders angebracht, kann zusätzlich sperrige, aber leichte Sachen wie Schlafsack und Isomatte aufnehmen und den ansonsten hohen Schwerpunkt am Hinterrad vermindern. Sehr praktisch für Federgabeln ist der Faiv-Träger. Das ausgereifte Produkt ist zwar sündhaft teuer, aber hält, was es verspricht.
Wer sich in das Hochland vorwagt, sollte sein Fahrrad auch dementsprechend ausrüsten. Dazu gehört ein zuverlässiger Kilometerzähler, der auch bei schlechtem Wetter wie Nebel und Sandstürmen bei der Orientierung behilflich ist. Aufgrund der schlechten, bei Regen schnell aufgeweichten Straßen sollten sowohl Schutzbleche als auch Schmutzfänger an beiden Laufrädern montiert werden. Ein kleiner Rückspiegel hat sich bei meinen Touren bewährt, da viele Straßen einspurig sind, man bei starkem Gegenwind nicht immer den von hinten anbrausenden Verkehr hört und es so zu gefährlichen Situationen kommen kann, wenn man von einem Kraftfahrzeug überrascht wird. In solchen Situationen ist ein Sturz oft nicht vermeidbar.
Auch auf den Allerwertesten sollte aufgrund der steinigen, waschbrettartigen Straßen Rücksicht genommen werden. Als sehr gut haben sich Ledersättel und so genannte anatomisch geformte Sättel erwiesen.
Mehr Tipps zur richtigen Fahrradwahl stehen auf der Webseite des Autors www.fahrradtest.de. Dort findet man dann ausführliche Berichte, Tests, Artikel aus Tageszeitungen und Fachzeitschriften, aber auch persönliche Tipps zu einzelnen Teilen.
Mitnehmen, mieten, kaufen?
Klare Antwort: Mitnehmen! Nicht nur bei einer geplanten Fahrradtour von mehreren Wochen lohnt es sich, das eigene Fahrrad mitzunehmen. Vor Ort zu kaufen ist nicht empfehlenswert, Räder sind doppelt bis dreifach so teuer.
Zwar kann man auch ein Mountainbike vor Ort (an Hotels, bei Bauern oder am zentralen Busbahnhof und am Campingplatz in Reykjavík) ausleihen, doch die Qualität der Mieträder lässt deutlich zu wünschen übrig. Für einen Tagesausflug, beispielsweise um den Mývatn herum, sind sie durchaus geeignet. Doch für eine längere Tour überhaupt nicht. BSÍ-Travel beispielsweise berechnet pro Woche 130 Euro, womit der Preis für die Räder in den vergangenen sechs Jahren um 65 % gestiegen ist, ohne dass die Räder besser geworden wären. Für zwei Wochen werden übrigens 220 Euro verlangt, drei Wochen Miete kosten 300 Euro und vier Wochen werden mit rund 380 Euro berechnet. Die Qualität der Räder kann man mit MTB aus dem Supermarkt vergleichen. Dass heißt, wer in Deutschland 250 Euro für ein Rad ausgibt, hat ungefähr die Qualität der isländischen Räder. Hochwertige Räder bekommt man mittlerweile ohne Probleme in Reykjavík (zu kaufen). Borgarhjól Sf. „The City Bicycle“ unternimmt erst gar nicht den Versuch, seine Räder für die große Tour zu annoncieren. Die Citybikes, die man auch am Campingplatz ausleihen kann, sind eindeutig für Touren rund um Reykjavík gedacht. Bei Borgarhjól Sf. (Hverfisgata 50, ) 5515653, 2 5515657) kosten die Räder für einen halben Tag 12 Euro, einen ganzen Tag 20 Euro, für eine Woche oder länger wird ein Preis von 16 Euro pro Tag berechnet.
Reparaturausstattung
Bei einer Panne kann der Spaß an einer Islandradtour schnell vergehen. Denn der nächste Fahrradladen ist meist Hunderte von Kilometern entfernt. Und außerhalb von Reykjavik und Akureyri ist die Auswahl an Ersatzteilen auch sehr beschränkt. Jeder Radler sollte Reparaturen beherrschen, die über das einfache Flicken eines Reifens hinausgehen. Genauso wichtig wie die Fähigkeit, den Fehler zu entdecken und vor Ort beheben zu können, ist allerdings auch, dass die notwendigen Ersatzteile (aus der Heimat) mitgenommen werden. Für einen Pedalschlüssel wird man in Reykjavík schnell 50 Euro los.
Die wichtigste Reparatur, neben dem Radflicken, ist das Beheben von Materialbrüchen von Schrauben, Gepäckträgerstreben und Speichen. Leider brechen bevorzugt die Speichen auf der Kranzseite, so dass man diese nicht ohne entsprechendes Werkzeug austauschen kann. Es hilft also nicht, nur die Speiche der passenden Länge (die Speichenlänge auf der Kranzseite ist von der dem Kranz abgewandten Seite verschieden!) mitzunehmen, sondern auch der Spezialschlüssel zum Abziehen des Kranzes ist nicht zu vergessen. Alternativ hat sich bei mir auch eine Universal-Notspeiche bewährt, die sich schnell ohne Werkzeug einsetzen lässt.
Folgende Ersatzteile und Werkzeuge sollten in jedes Fahrradgepäck gehören:
Luftpumpe, Flickzeug, Reifenheber, Ersatzventile, Ersatzschlauch; Maul- oder Ringschlüssel, Inbus-, Speichen-, Konusschlüssel, Kettennieten sowie eventuell Tretlagerschlüssel; eine Zange, Ersatzspeichen (möglichst verstärkt); Zahnkranzabzieher (soweit notwendig), Kettenöl und Kugellagerfett, Brems- und Schaltzüge (soweit notwendig); zwei Bremsschuhe oder ‑gummis oder Bremspads bei Scheibenbremsen; mindestens einen Ersatzreifen; einige Ersatzschrauben (mit Muttern), vor allem für die stark belasteten Teile, wie Gepäckträger; evtl. Ersatzachse.
Sehr gut für viele Reparaturen eignen sich Schlauchschellen, die schon so manchen gebrochenen Gepäckträger für Hunderte von Kilometern wieder fit gemacht haben. Ein ideales Werkzeug für viele anfallende Reparaturen ist eine Wasserpumpenzange. Man kann viel einzelnes Werkzeug einsparen, wenn auf so genannte Multi-Tools zurückgreift. Allerdings unbedingt vorher ausprobieren, ob man damit auch alle Stellen am Fahrrad erreicht.
Natürlich kann man auch zu viel an Ausrüstung mitnehmen. Auf der Ringstraße ist Hilfe weit entfernt, im Hochland erst recht. Einen „gelben“ Engel gibt es in Island nicht. Auch wer der Abreise neue Reifen aufgezogen hat, sollten unbedingt einen Ersatzreifen mitnehmen. Sollte man dennoch mal Ersatzteile benötigen, war es bisher möglich, diese sich von einem Fahrradhändler aus Reykjavík schicken zu lassen. Allerdings kann eine Lieferung aus Deutschland trotz Expresszuschlag noch billiger sein.
Mehr Infos rund ums Fahrrad und Fahrradtechnik auf www.fahrradtest.de